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Nachdem Olympus vor über zwei Jahren mit der Stylus SP-100EE Eagle Eye die erste Digitalkamera mit integriertem Leuchtpunktvisier auf den Markt gebracht hat folgte nun mit dem Olympus EE-1 Dot Sight der Versuch, diese Technik der großen Welt der Systemkameras und vor allem deren Nutzern zugänglich zu machen. Haupteinsatzgebiet ist nach Herstellerangabe die Wildvogelphotographie mit Superteleobjektiven, handelt es sich also um eine Problemlösung für Spezialisten?
Allen Anwendungsarten gemein sind zwei wesentliche Eigenschaften: zum einen werden Informationen “in die Unendlichkeit” projiziert, obwohl sich das Gerät selbst im Nahbereich befindet, zum anderen entsteht in einem relativ großen Sichtbereich nahezu keine Parallaxenverschiebung beim Einblick. Aus dem Grund eignet sich die Technik besonders dafür, schnell Informationen zu vermitteln ohne die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Ziel abzulenken. So können etwa Geschwindigkeitsangaben auf der Frontscheibe des Autos lesbar dargestellt werden, obwohl der Blick des Fahrers auf der Straße liegt. Genauso kann im Flugzeug ein künstlicher Horizont ins Sichtfeld projiziert werden, und bei der Jagd liegt nicht nur das Fadenkreuz direkt auf dem Ziel, sondern es ist auch möglich, deutlich entspannter beide Augen geöffnet zu lassen. Genau dies möchte Olympus nun auch für Photographen erreichen. Wieso ist das Interessant?
Spiegelreflexkameras konnten sich am Markt weitgehend durchsetzen, weil sie unter anderem den tatsächlichen Bildausschnitt, inklusive der gerade mit längeren Brennweiten einhergehenden Vergrößerung, im Sucher darstellen. Auch die meisten spiegellosen Systemkameras besitzen diesen Vorteil, wenn auch elektronisch gebildet über eine Darstellung des Sensors. Was für die genaue Bildkomposition von Vorteil ist, wird schnell zum Nachteil, wenn mit starker Vergrößerung ein nur schwer auszumachendes Motiv gefunden werden soll, besonders, wenn sich dieses auch noch bewegt. Nicht nur, dass schon eine kleine Unaufmerksamkeit ausreicht um das Ziel zu verlieren, auch die notwendigen Einschränkungen der Technik stellen eine Hürde da; die Dunkelphasen zwischen zwei Aufnahmen oder die Zeit zur Fokussierung gerade bei verlorenem Fokus können ebenfalls zum Zielverlust führen. Modelle für professionelle Einsatzzwecke in der Sportphotographie bieten hier zwar eine bessere Technik, ebenso hat der technische Fortschritt auch die Qualität bei günstigeren Modellen in dieser Hinsicht verbessert, das grundlegende Problem bleibt allerdings bestehen und kann schnell frustrierend werden, gerade wenn der Geldbeutel keine Anschaffung von Spitzenequipment erlaubt.
Die Güte eines Leuchtpunktvisiers erkennt man unter anderem auch daran, wie stark sich die Zielmarkierung gegenüber dem tatsächlichen Ziel verschiebt während man das Auge hinter dem Einblick bewegt. Im Idealfall ist das Visier parallaxenfrei, was bedeutet, dass es gar keine Verschiebung gibt. Das trifft auf das EE-1 leider nicht zu, wäre allerdings in diesem Preisbereich auch eine Überraschung. Allerdings hält sich die Verschiebung beim Einblick im Zentrumsbereich, also so, wie man üblicherweise in das Visier schaut, so stark in Grenzen, dass “nahezu parallaxenfrei” nicht übertrieben ist. Erst am Rand des Einblicks findet eine starke Wanderung der Markierung statt. Dies ist gerade auch in Anbetracht des Preises ein sehr gutes Ergebnis, das viele Billiglösungen, die mit kleinen Umbaumaßnahmen auch an die Kamera angesetzt werden können, so nicht erreichen.
Parallaxenfrei bezieht sich dabei natürlich nur und ausschließlich auf den Einblick, denn wie jeder andere externe Sucher auch gibt es selbst bei dem besten Leuchtpunktvisier, und damit auch beim EE-1, einen Parallaxenunterschied gegenüber dem Aufnahmebereich. Aus diesem Grund ist eine Justierung des Olympus EE-1 notwendig, die auf zweieinhalb Arten erfolgen kann:
Zunächst messen wir den Abstand zwischen der optischen Mittelachse des Objektivs und der Basis des Blitzschuhs, zu diesem Wert (in der Grafik Wert X) addieren wir noch die mittlere Höhe des optischen Systems des Olympus EE-1 (40,3 mm). Die Summe ergibt den Wert des festen Parallelabstands, den wir nun als Abstand zwischen zwei Markierungen auf einen Bogen Papier übertragen. Dieses Papier befestigen wir an einer senkrechten Fläche, etwa einer Tür, und richten die Kamera mittels Stativ so aus, dass die mittlere Fokusmarkierung auf die untere Markierung fällt. Der Olympus EE-1 wird nun auf die obere Markierung eingestellt, fertig ist die Justierung.
Da die beiden Sichtlinien der Zielmarkierung und des Fokuspunkts parallel verlaufen, ändert sich deren Abstand nie. Egal mit welchem Objektiv oder auf welche Fokusentfernung wir photographieren, der Fokuspunkt liegt auf dem Motiv um exakt dem zuvor ermittelten Wert unterhalb unserer Zielmarkierung. Bei Motiven, die größer als der Parallelabstand sind (bspw. Flugzeuge, Autos, Großwild) brauchen wir nichts weiter zu beachten, bei kleineren Motiven muss dieser leichte Versatz immer einkalkuliert, also immer leicht über das Motiv gezielt werden. Dies erfordert etwas Übung, ist dafür aber universell einsetzbar.
Alternativ kann man die Justierung auch auf ein weit entferntes Ziel durchführen. Durch den geringen Parallaxenabstand spielt die Abweichung auf größere Entfernungen eine immer kleinere Rolle, ist das Motiv zudem noch groß genug, erhält man so eine schnelle und hinreichend genaue parallele Justierung. Für die meisten Aufnahmesituationen nutze ich diese Variante, schlicht und einfach, weil sie schnell, effektiv und ohne große Hilfsmittel direkt “im Feld” erledigt werden kann. Die Verwendung eines Stativs oder einer anderen festen Ablage ist allerdings sinnvoll.
Wenn es doch genauer sein und auf die Einrechnung eines Abstands verzichtet werden soll, muss der Motivabstand mehr oder weniger genau bekannt sein, so dass die Justierung genau auf einen Punkt erfolgen kann. Hierzu ist es wieder empfehlenswert, die Kamera per Stativ genau auf einen festen Punkt im gewünschten Abstand auszurichten. Nun wird auch der EE-1 entsprechend auf genau diesen Punkt ausgerichtet, fertig ist die Justierung auf eine feste Entfernung. Befindet sich das Motiv später näher zur Kamera, so muss entsprechend höher gezielt werden, bei einer größeren Distanz entsprechend niedriger. Die Mindestdistanz hängt von der verwendeten Kamera ab, da die Höhe zwischen optischer Mittelachse und EE-1 eine Rolle spielt, liegt aber deutlich über den üblichen Makroabständen und eher im Bereich von 1,5 Metern aufwärts. Für einen Einsatz im Makrobereich muss also eine alternative Befestigung genutzt werden, beispielsweise eine Bastellösung für die Montage neben der Kamera.
Alle bisher genannten Praxiseinsätze erfolgten bei mehr oder weniger gutem Licht. Hierbei zeigte sich, dass die Abstufung der Helligkeit von Olympus durchaus gut gewählt wurde, bei schwächeren Lichtverhältnissen oder im Schatten sorgte Stufe 1 für eine sichtbare, aber nicht blendende Markierung, bei sehr starker Mittagssonne konnte Stufe 5 trotzdem noch leicht erkannt werden. Ob es nun unbedingt fünf Stufen sein mussten, oder ob nicht drei auch gereicht hätten, sei dahingestellt; die Abstimmung passt jedenfalls. Ein Leuchtpunktvisier ist aber nicht nur bei Aufnahmen am Tage von Vorteil, gerade bei der Astrophotographie erscheint die Übersicht gegenüber dem recht kleinen Bildausschnitt mit einem Teleobjektiv oder auch einem Teleskop zum Auffinden des gewünschten Himmelsobjekts als große Hilfe. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu, und so findet diese Technik bereits weite Verwendung, allen voran durch die berühmten Telrad-Sucher. Das Olympus EE-1 Dot Sight könnte eine kleine und leichte Alternative sein, könnte deswegen, weil es schlicht zu hell dafür ist. Selbst auf der niedrigsten Stufe überstrahlt es in der Nacht den Himmel dermaßen, dass selbst hellere Sterne nicht mehr zu erkennen sind, obwohl sie mit bloßem Auge locker gesehen werden können. Ich verwende ihn trotzdem mit der typischen Zwei-Augen-Technik, weil er so zwar nur grenzwertig genutzt werden kann, aber doch eine bessere Zielquote aufweist als sich mit dem Teleobjektiv von Stern zu Stern zu navigieren. Eine Astromodifikation ist von mir aber schon angedacht, und ich hoffe, Olympus liest mit.
Vor Jahrzehnten gab es eine große Vielfalt unterschiedlicher Sucher am Markt, viele spezialisiert auf ein bestimmtes Einsatzgebiet. Heute ist davon im Massenmarkt nicht viel geblieben, neben den allgegenwärtigen TTL-Suchern (Through-the-Lens, also durch das Objektiv, egal ob als optische oder elektronische Variante), zu denen auch die Displays selbst gehören, findet man Alternativen nur noch selten. Das ist zum einen Nachvollziehbar, da eben jene TTL-Sucher nicht nur die besten Allroundeigenschaften bieten, sondern in vielen Einsatzgebieten auch die beste Lösung darstellen. Auf der anderen Seite ist das Schade, weil trotz einem sehr hohen Standard Speziallösungen für bestimmte Aufgaben noch immer das bessere Mittel zum Zweck sind.
Das Olympus EE-1 Dot Sight bietet noch viel Verbesserungspotenzial, ist gleichzeitig aber in seinem Aufgabengebiet in vielen Punkten konkurrenzlos und - und das ist der wichtigste Punkt - wirklich nützlich. Ich bin geneigt zu schreiben, es sei eine Problemlösung für Spezialisten. Das stimmt, was die Motivwelt angeht, denn für den allgemeinen Gebrauch ergibt es keinen Sinn. Das stimmt aber nicht, wenn es um die Tiefe des Hobbys (oder des Berufs) geht. Denn gerade mit einer einfacheren Ausrüstung ist der Vorteil enorm und eine Anschaffung überlegenswert (mit einer spezialisierten Ausrüstung wird der Vorteil geringer, verschwindet aber nie). Gegenüber den Selbstbaulösungen ist es dabei unbestritten spürbar kompakter, meiner Meinung nach auch einfacher in der Handhabung und von besserer Qualität, wenn bei der Selbstbaulösung nur ein Billigvisier verwendet wird. Einen Hype sollte es um dieses Zubehör allerdings wirklich nicht geben, denn im Endeffekt ist und bleibt es eine Problemlösung für Spezialisten (jetzt habe ich es doch geschrieben); allerdings nicht nur für die Wildvogelphotographie mit Superteleobjektiven. Vielleicht sollte Olympus hier noch mal um- und weiterdenken, nicht nur was die Werbung angeht.